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Rowe



Auf der schmalen Landzunge zwischen Garder-See und Ostsee liegt am Ufer der Lupow, die hier den Garder-See verläßt und in die Ostsee abfließt, die Gemeinde Rowe. Wo gab es ähnliches? Fischhütten auf beiden Ufern, der See auf der Landseite, Dünen und das weite Meer. Rowe war ein einsames Fischerdorf, von dem gesagt wurde, daß in ihm "Behaglichkeit und Ruhe" zu Hause wären. Ein einfacher Landweg verband Rowe mit den Nachbargemeinden Schönwalde und Wobesde.

Einige Angaben über die Gemeinde Rowe aus der Zeit vor 1945 in Kurzform:

Zugehörige Ortsteile: (1) Klein Rowe.

Gemeindefläche in ha 675
Wohnbevölkerung am 17.Mai 1939 264
Zahl der Haushaltungen 78
Zahl der Wohnhäuser 1925 53
Amtsbezirk Wobesde
Standesamtsbezirk Wobesde
Gendarmeriebezirk Wobesde
Amtsgerichtsbezirk Stolp
Gemeindevorsteher 1931 Frobel
Bürgermeister 1937 Fischer und Pächter Franz Stricker
Nächste Bahnstation Wobesde
Entfernung 8,2 km
Bahnlinie Gabel-Stolpmünde (Kreisbahn)
Poststelle Wobesde
Letzte postalische Anschrift Post Wobesde über Stolp (Pom.)

Der historischen Dorfform nach ist Rowe ein Haufendorf. Es erscheint in alten Urkunden 1282 als Rou, 1493 als Roff und kaschubisch als Row. Es gab ein groten Rowe und ein lutken Roff. 1350 wurde der Ritter von Bartowitz mit dem Heringsfang in Rowe belehnt. 1493 war ein von Bandemer Besitzer und ab 1553 ein von Schwave. Dann kam Rowe zu den königlichen Dörfern, die dem Amt Stolp unterstanden. Die Bewohner ernährten sich größtenteils von der Fischerei. Sie waren von Naturaldiensten befreit und zahlten auch kein Dienstgeld. Die Prästationstabellen des Königl. Preuß. Amtes in Stolp von 1732 enthalten die Eintragung:

Fischer: Jürg. Prick, 2. Michel Piggursch, 3. Javob Kußfeldt, 4. David Höfer sen., 5. Matthes Bandemer, 6. Michel Kußfeldt, 7. Martin Woite, 8. Martin Pieper, 9. David Höfer jun., 10. Matthes Höfer, 11. Jürgen Pricke, 12. Martin Prick.

Später wurde Rowe dem Königlichen Amt in Schmolsin unterstellt. Nach Brüggemann hatte es um 1784 einen Prediger, einen Küster, 24 königliche Untertanen, insgesamt 38 Feuerstellen. Der Strandvogt hatte die Autsicht über die örtliche Fischerei. Rowe besaß aber auch einen adligen Anteil von achtzehn Fischerkaten, davon zwölf zu Schönwalde und sechs zu Selesen. Schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde im Dorf nicht mehr kaschubisch gesprochen. Damals verstanden die über 60 Jahre alten Bewohner noch die kaschubische Sprache. Im Jahre 1939 gab es in Rowe 51 landwirt­schaftliche Betriebe:

7 mit 0,5 und unter 5 ha
27 mit 5 und unter 10 ha
14 mit 10 und unter 20 ha
3 mit 20 und unter 100 ha

Der durchschnittliche Grundsteuerreinertrag auf ein Hektar gehörte mit 1,43 RM zu den niedrigsten im Landkreis Stolp (Durchschnitt 5,95 RM). "Recht und schlecht", schrieb 1931 die Zeitung für Ostpommern, "ernähren sich seine Bewohner von Fisch­fang und Ackerbau. Wir wollen sie nicht beneiden; nicht die Männer, die im Kampf mit Sturm und Wellen ihre Lebenskraft verbrauchen, und nicht die Frauen, die von frühester Jugendzeit bis an die äußerste Grenze eines rüstigen Alters die schweren Lasten forttragen, meilenweit und oft nur für Pfennige, aber mit immer gleichbleiben­dem Eifer und nie versagender Ausdauer." Die beiden Gastwirtschaften in Rowe wurden von Kemp und Frau Döhring betrieben.

Im Jahre 1581 soll Rowe eine eigene Kirche erhalten haben. Sie wurde 1590 bei der Visitation genannt. Die zweite Kirche, die Vorgängerin der letzten, die wir noch in Erinnerung haben, ein Fachwerkbau, ist, wie ein Einführungsprotokoll des P. Haese vom 28. November 1831 besagt, im Jahre 1750 erbaut worden. Sie stand bis Mitte des vorigen Jahrhunderts auf dem Hügel, der hoch über dem Garder-See den Kirchhof der Gemeinde trug. Sie besaß einen Turm, der laut Visitationsprotokoll von 1816 bereits vor Jahren wegen drohenden Einsturzes hätte abgetragen werden müssen. An Stelle des Turmes wurde dann ein Glockenstuhl erbaut. In der 1843 neu erbauten Kirche des "sturmumbrausten Dörfchens" waren zwei Schiffsmodelle aufgehängt, die erst in neuerer Zeit der Kirche geschenkt worden waren. Eine Taufschüssel, aus Messing geschlagen, zierte im Mittelbild der Sündenfall. Zwei schmucklose Kelche nebst Kanne und Flasche trugen die Jahreszahl 1734. Ein spätgotischer silberner Kelch besaß einen Sechspaßfuß mit durchbrochenem Rande. An dem Kelch war auf der einen Seite ein Kruzifix und auf der anderen ein Renaissancewappenschild ohne Gravierung befestigt. Aus der Widmung war zu entnehmen, daß es von einer Anna 1643 der Kirche gestiftet worden ist. Die Glocken waren im freistehenden Glocken­stuhl aufgehängt. Die eine Glocke war ohne Schrift mittelalterlich, die andere mit großem Wappen und langer Aufschrift 1660 gegossen.

Die Rower Pfarre soll 1581 von Groß Garde abgelöst worden sein. Von 1713 bis zu seinem Tode 1736 war hier als Pastor der Großvater des berühmten preußischen Generals York, Johannes Jarken, tätig. Er stammte aus dem Lauenburgischen und gehörte dem armen kaschubischen Panenadel an. "Es leben heute noch Nachkommen von Jarken in dieser Gegend, doch hat sein großer Enkel, der in Potsdam geboren wurde, nur selten seiner pommerschen Abstammung gedacht. Er glaubte vielmehr, daß er mit dem vornehmen Geschlecht der Yorks in England verwandt sei und nannte sich darum auch York statt Yarken" (Paetow 1932).

Im Jahre 1921 wurde die Verlegung des Pfarrsitzes von Rowe nach Wobesde von den kirchlichen Zentralbehörden zwar angeordnet, kam aber mangels eines Pfarrhauses in Wobesde, dessen Bau der hohen Kosten wegen hinausgeschoben wurde, nicht zur Durchführung. Die Eingepfarrten von Rowe und die Bauern von Schönwalde leisteten gegen die Verlegung des Pfarrsitzes erbitterten Widerstand. Es wurde auf das jahrhun­dertelange Bestehen der Pfarre in Rowe verwiesen, und das war Grund genug, diesen Zustand auch künftig beizubehalten. In den letzten hundert Jahren vor der Vertrei­bung haben in Rowe als Pastoren gewirkt:

Karl Friedrich Jonathan Horn 1843-1851
Johann Friedrich Nahgel 1851-1871
Ernst Hermann Reinhold Pieper 1871-1874
Adolf Carl Paul Schultz 1874-1878
Karl Gustav Franz Bergin 1878-1896
Emil Gustav Bernhard Schröder 1896-1911
Emil Max Wilhelm Müller 1912-1924
Erich Kramer 1924-1927
Pastor fehlt 1927
Franz Kypke 1929-1940
Schimmelpfennig um 1945

Das Kirchspiel Rowe hatte 1940 zwei eingepfarrte Ortschaften und insgesamt 1322 Gemeindernitglieder. Eingepfarrt waren die Kirchengemeinde Wobesde und Schön­walde. Das Patronat von Rowe war staatlich, das von Wobesde stand der Rittergutsbesitzerin Kutscher-Wobesde zu. Die Besetzung der Pfarrstelle erfolgte nach dem Pfarrerwahlgesetz. Rowe gehörte als Kirchspiel zum Kirchenkreis Stolp-Altstadt. Alle Bewohner von Rowe waren evangelisch. - In der im Jahre 1932 einstufigen Volksschule unterrichtete ein Lehrer 48 Schulkinder. Die letzten Lehrer waren Erich Marko und Bernhard Wolter. Rowe hatte eine Behelfsjugendherberge bei Kaufmann Döring mit 15 Lagern.


Unvergessen ist in dem kleinen Fischerdorf der Besuch des Kronprinzen zu Pfingsten 1913 geblieben - ein geradezu geschichtliches Ereignis. Ganz Rowe war vor dem Haus des Fischereiaufsehers Tunnisch, in dem der Kronprinz Quartier bezogen hatte, zusammengekommen, um dem hohen Gast zu huldigen.

Nach dem Weltkrieg haben Maler wie Pechstein, Schmidt-Rottluf und der einheimi­sche Siegfried Reich sich hier niedergelassen. Seitdem nimmt Rowe in der modernen Malerei einen besonderen Platz ein.

"Allmählich fängt unser Ort an, sich immer mehr zu einem Badeort zu entwickeln", schrieb Pastor Kypke 1936, "zu einer Erholungsstätte für solche, die ihre überarbeite­ten Nerven stärken wollen, und die sich nach Ruhe und Stille sehnen und sie hier auch finden. Beträgt doch jetzt schon die Zahl der Badegäste jährlich 300, abgesehen von den Scharen der Ausflügler, die mit den Motorbooten über den Gardersee oder mit Autos unser Dörflein besuchen - und den Scharen Jungvolks, die auf ihren Wanderun­gen unsern Ort für kürzere oder längere Zeit berühren. Und doch ist Rowe nicht erst in letzter Zeit, wie man gewöhnlich annimmt, Badeort geworden. Es vermeldet uns schon die hiesige Chronik im August 1838: in diesem Jahre, wo der Wellenschlag außerordentlich schön zum Bade war, wurde dasselbe nur von zwei Gästen, dem Prediger Krasting und Leutenant Blankenburg, benutzt, welche zu diesem Zwecke sich vier Wochen in Rowe aufhielten. Somit hätten wir eigentlich das Recht, bald das 100jährige Jubiläum als Badeort zu feiern!"

Als 1945 die Russen kamen, wurde wie überall im nördlichen Teil des Landkreises für Rowe kein Räumungsbefehl mehr erteilt. Die Bewohner blieben "freiwillig zurück, weil sich keiner von seiner Scholle trennen mochte". Im Dorf befanden sich viele Ostpreußen, die zum Teil schon 1944 im Treck dorthin gekommen waren und Quartier gefunden hatten. Einige dieser Flüchtlinge traten noch in letzter Minute in panischer Angst die Flucht an. Rowe wurde am 9. März 1945 von den Russen kampflos besetzt. Es kam zu Plünderungen und Vergewaltigungen. Da das Dorf innerhalb des militäri­schen Sperrbezirks der Russen an der Ostsee lag, mußten die Bewohner es am 29. März verlassen. Sie gingen nach Wobesde und fanden schließlich Unterkunft im Schulhaus von Beckel.

Im Herbst 1945 kamen die Polen - auch polnisches Militär. "Unter dieser Besetzung wurde uns unsagbares Leid zugefügt, indem wir mißhandelt und total ausgeplündert wurden." Die Vertreibung begann. Anfang Januar 1947 ging der erste Transport, im Juni 1947 der zweite und am 14. August der dritte. Zu diesem Transport wurden die Bewohner morgens um 5 Uhr unter Einsatz von Polizei aus den Betten geholt und abtransportiert. Im Jahre 1957 gab es in Rowe noch einige deutsche Fischer. Die Heimatortskartei Pommern hat später 176 vertriebene Dorfbewohner in der Bundes­republik Deutschland und 59 in der DDR ermittelt. Aus dem deutschen Fischer- und Bauerndorf Rowe wurde das polnische Rowy.

Kriegs- und Vertreibungsverluste: 9 Gefallene, 6 Ziviltote und 10 Vermißte ("unge­klärte Fälle").

Literatur
PII. UB Nr. 339 = PUB II Nr. 1237 (Rowe oder Rowen?)
Kypke-Rowe (Pastor): Chronik der ältesten Pastoren von Rowe. In: Ostpommersche Heimat 1936- Nr. 5-11
Rodemark: Besuch des Kronprinzen in Rowe im Jahre 1912. In: Die Pommersche Zeitung vom 15. März 1969, S. 5
Scharnofske, Paul: Die Gemeinde Rowe. In: Ostpommersche Heimat 1938, Nr. 6
Scharnofske. Paul: Erinnerungen an Rowe und seine Menschen. In: Stolper Heimatblatt 1951, Nr. 8
Scharnofske, Paul: Was Rowe "auch" auszeichnete. In: Stolper Heimatblatt 1956,S. 15-18
Scharnofske, Paul: Rowes Friedhof - international! In: Stolper Heimatblatt 1956, S. 336-337
Scharnofske, Paul: Yorks Vorfahren stammten aus Rowe. Rühmliche Blätter aus der Ortsgeschichte von Rowe. In: Die Pommersche Zeitung vom 15. Oktober 1966, S. 4-5
Schimmelpfennig (Pastor): Glocken der Heimat. In: Stolper Heimatblatt 1952. Nr. 7
Wobesde und seine Beziehungen zu den benachbarten Stranddörfern (mit Angaben über Rowe). In: Ostpommersche Heimat 1931, Nr. 38
Wolff, R.: Erinnerungen an die alte Heimat Schmolsin. Schiffsstrandung des 2000 t großen Passagier- und Frachtdampfers "Reval" aus Kopenhagen. In: Stolper Heimatblatt 1956, S. 248-250
Ziepke, Otto: Noch einmal: Die Strandung des Dampfers "Reval". In: Stolper Heimatblatt 1956, S. 284
Ost-Dok. 1 Nr. 174, pag. 487-490

(Quelle: "Der Landkreis Stolp in Pommern" Zeugnisse seiner deutschen Vergangenheit von Karl-Heinz Pagel)

(Quelle: BBF / DIPF / Archiv, Sammlungen der Gutachterstelle des BIL. Lehrerkartei und Personalbögen.)